Harrison Baer
Ich habe einen universellen Tipp, der jeden zu einem offeneren Menschen macht: Sprechen Sie bei jeder Fahrt mit Ihrem Uber-Fahrer. Zücken Sie nicht Ihr Handy, um Candy Crush zu spielen oder ein Selfie zu machen. Nehmen Sie sich Zeit für das Gespräch und stellen Sie dem Fahrer oder der Fahrerin so viele Fragen, bis Sie aussteigen. Lernen Sie ihre Geschichte kennen. Wer sind sie?
Letzte Nacht hatte ich ein Uber-Erlebnis, das zu den drei besten meines Lebens zählt. Es war so ungewöhnlich und unerwartet, dass ich tagelang darüber nachdenken musste.
Der Fahrer war ein stämmiger, weißer Mann mittleren Alters mit einem Tattoo, das sich von seinem Handrücken bis zum Ärmel seines T-Shirts erstreckte. Er sprach mit einem starken Südstaatenakzent und gab sich wie ein typischer Südstaaten-Mann. Obendrein dröhnte laute Musik aus den Autolautsprechern. Ich war mir sicher, dass er irgendwo im Südosten der USA geboren und aufgewachsen war, aber da ich höflich bin, fragte ich trotzdem nach.
“Nun ja, ich bin in South Carolina geboren…”
Ich wusste es.
“Aber mit Ende 20 begann ich, ein Jahrzehnt lang durch die Staaten zu reisen.’
Moment mal! Dieser Typ war ein wahrer Weltenbummler. Und nicht nur das, er hatte in fast jedem Bundesstaat der USA gelebt. Ich war einen Moment lang verblüfft, dann sprachlos.
“Ja, wissen Sie, das Verrückte ist, dass mein Lieblingsort nirgendwo hier war. Irland war der beste Ort.”
Was zum Teufel passiert hier? Vor zwei Minuten war der noch ein Hinterwäldler. Und jetzt ein Europa-Fan? Unmöglich. Der Typ lügt, aber ich spiele sein Spiel mit.
“Hä, warum denn das?”
Der Mann hielt inne, holte tief Luft und seufzte enttäuscht.
“Die Gemeinschaft ist dort einfach anders.”
“In den USA ist alles ein Wettbewerb. Jeder versucht, besser zu sein als alle anderen. Zum Beispiel: Wenn sich hier jemand einen 70-Zoll-Flachbildfernseher kauft, geben seine Kumpel alles, um einen 80-Zoll-Fernseher zu bekommen. In Irland hingegen treffen sich alle Freunde eines Mannes, der sich so einen Fernseher kauft, um Sport zu schauen und Zeit miteinander zu verbringen.”
Wow. Der Typ hatte also doch nicht gelogen. Ich hätte mich am liebsten selbst geschlagen, weil ich so voreilig Schlüsse gezogen hatte. Und als ob das nicht schon genug wäre, stimmte seine Schilderung auch noch absolut. Ich riss die Hände hoch und rief: “Stimmt!” Die nächsten 15 Minuten verbrachten wir damit, uns über die Monate auszutauschen, in denen er sich mit Iren, Engländern, Franzosen und Deutschen angefreundet hatte, und über mein Semester, in dem ich eine fremde Kultur erkundet hatte.
Ich brauchte Tage, um die Erfahrung in diesem Uber zu verarbeiten, und am Ende blieben mir zwei Schlussfolgerungen und eine Frage.
- Jemandes Charakter oder Hintergrund zu erraten, ist ein unbewusster Ausdruck von Engstirnigkeit. Fragen Sie nach, bevor Sie etwas annehmen.
- Am meisten können wir aus den unerwarteten Erlebnissen im Leben lernen, wenn wir die Unsicherheit beiseite schieben und uns dafür entscheiden, die Überraschung zu erkunden.
Folgendes frage ich mich –
Was, wenn es nicht auf den Bildschirm ankommt, sondern darauf, wer neben dir sitzt?
Am einfachsten lässt sich dies beweisen, indem Sie Ihr Handy weglegen und Ihren Fahrer fragen:
“Wenn Sie irgendwo auf der Welt ein neues Land gründen könnten, wo wäre es und warum?”
“Wenn du eine Person mitnehmen könntest, um den Heiligen Gral zu finden, wer wäre das?”
Du wirst aus den Antworten etwas lernen, aber sie sind nicht der Grund für die Fragen. Es geht darum, einen Moment anzunehmen, der dich vielleicht noch tagelang zum Grübeln bringen wird.
